Soll der Teenager Ida zu seiner kriminellen Familie halten oder mit den Behörden kooperieren? – Der Dänin Jeanette Nordahl gelang dank starker Schauspieler*innen und kraftvoller Inszenierung ein fesselndes Spielfilmdebüt.
Ausweglosigkeit vermittelt der Anfang, wenn die 17-jährige Ida (Sandra Guldberg Kampp) im Voice-over feststellt "Für manche Menschen läuft schon alles schief, bevor es überhaupt angefangen hat": Ein verunfalltes Auto verweist auf den Tod ihrer alkoholsüchtigen Mutter, nun sorgt ein Sozialarbeiter dafür, dass der Teenager bei ihrer Tante Bodil (Sidse Babett Knudsen) und deren drei erwachsenen Söhnen unterkommt.
Liebevoll ist die Aufnahme im Haus auf dem Land, doch irritiert, wie die Mutter ihre Söhne auf den Mund küsst. Rasch wird klar, dass das eine echte Matriarchin ist, die das Leben in der Familie bestimmt und auch über die Freundinnen der Söhne zu bestimmen versucht. Zur Dysfunktionalität im Innern kommt nach außen Gewalttätigkeit und Kriminalität, wenn die Söhne von Schuldnern Geld eintreiben und dabei auch über die kleine Tochter eines Opfers Druck ausüben. Als eine dieser Aktionen für einen Schuldner tödlich endet, wird für Ida die Frage, ob die Familie zuerst kommt oder ob Gerechtigkeit wichtiger ist, immer dringlicher.
Mit den Augen Idas lässt Jeanette Nordahl den Zuschauer auf diese Familie blicken. Intensiv vermittelt die Debütantin Sandra Guldberg Kampp mit ihrem Spiel das Spannungsfeld, in dem dieser Teenager steht: Einerseits sehnt sich Ida nach dem Tod der Mutter sichtlich nach familiärer Bindung, Nähe und Zärtlichkeit, andererseits sieht sie auch, wie kriminell hier agiert und welches Leid anderen zugefügt wird.
Nah dran an Ida und ganz auf Augenhöhe mit ihr sind die 35-jährige Regisseurin und ihr Kameramann David Gallego. Auch durch den Einsatz der Handkamera ziehen sie das Publikum ins Geschehen und versetzen es mitten hinein in diese dysfunktionale Familie.
Die Fokussierung auf einer kriminellen, gewalttätigen Familie erinnert zwar an Adam Smiths "Trespass Against Us – Das Gesetz der Familie", doch die entschieden weibliche Perspektive gibt "Wildland" doch einen ganz eigenen Dreh. Verstörend wirkt vor allem Bodil in ihrer Mischung aus liebevoller Mutter und dominanter Clan-Chefin, die keinen Widerspruch duldet. Großartig vermittelt Sidse Babett Knudsen diese Ambivalenz, während Joachim Fjelstrup, Besir Zeciri und Elliott Crosset Hove in den Rollen der drei Söhne beträchtlichen Mut zum Unsympathischen, zum Brutalen und Rohen an den Tag legen.
Eindrücklich vermittelt Nordahl anhand dieser drei Söhne, welch prägende Wirkung die Familie hat und wirft andererseits an der Geschichte Idas die Frage auf, wie weit man für seine Familie gehen soll und darf. Will diese zunächst gar nicht zu ihrer Tante, die sie kaum kennt, und schwankt sie auch später mehrfach, wie sie agieren soll, so wird sie schließlich doch eine Entscheidung treffen, die durchaus verstören kann.
Wenn am abrupten Ende eine Geburt steht, dann geht damit auch die Frage einher, in welche Welt und welche Familie dieses Baby geboren wird. Aber auch die Frage, wie dieses Neugeborene durch die Familie geprägt werden wird und welche Möglichkeit auf einen eigenen Weg es hat, stellt sich hier.
Weil Nordahl solche Fragen nicht trocken und aufgesetzt abhandelt, sondern anhand ambivalenter Charaktere in einem Mix aus ungewöhnlichem Mafia- und Familienfilm ist dafür gesorgt, dass auch die Spannung nicht zu kurz kommt. Hoffnung bleibt freilich nicht viel, wenn der Geburt am Ende nochmals Idas Voice-over "Für manche Menschen läuft schon alles schief, bevor es überhaupt angefangen hat" unterlegt ist.
Läuft in den Schweizer Kinos - z.B. im Skino in Schaan und im Kinok St. Gallen
Trailer zu "Wildland"
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