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  • AutorenbildWalter Gasperi

Woman of ... - Frau aus Freiheit

Von Kindheit an fühlt sich Andrzej anders, doch Jahrzehnte wird es dauern, bis er sich in der Öffentlichkeit zu seiner weiblichen Identität bekennt: Getragen von der herausragenden Małgorzata Hajewska-Krzysztofik in der Hauptrolle vermitteln Małgorzata Szumowska und Michał Englert intensiv sowohl die psychischen Belastungen als auch die gesellschaftlichen Repressionen gegenüber einer Transfrau in Polen.


Mit der Erstkommunion von Andrzej in einer polnischen Kleinstadt der 1970er Jahren lassen Małgorzata Szumowska und Michał Englert ihren Spielfilm beginnen und werden den Bogen mit Zeitinserts gegliedert bis ins von der Covid-Pandemie geprägte Jahr 2022 spannen.


Wenn in der ersten Einstellung die Einnahme der Kommunion gezeigt wird, verweist dies schon auf die starke Macht der Katholischen Kirche in Polen. Die beiden Regisseur:innen walzen diese aber nicht breit aus, bringen sie aber mit einem Papstbesuch, der Kündigung der Unterkunft in einem vermeintlich barmherzigen Frauenkloster und gegen Ende mit einer Begegnung mit einem Priester, der keine Einsicht in Andrzejs Situation zeigt und kalt erklärt "Der Mensch ist so, wie Gott ihn geschaffen hat" immer wieder ins Spiel.


Gleichzeitig verbinden Szumowska und Englert aber auch bestechend die persönliche Geschichte Andrzejs (Małgorzata Hajewska-Krzysztofik) mit der politischen Entwicklung Polens vom Kommunismus zur postsozialistischen Gesellschaft. Im Kontrast zu den Feiern zum Fall des Eisernen Vorhangs und des Unabhängigkeitstags steht dabei das innere Gefängnis, in dem Andrzej steckt.


Jahrzehnte benötigt er, um sich öffentlich zu seiner weiblichen Identität zu bekennen. Schon bei der Kommunionfeier scheint sich der Junge mit seinen blonden lockigen Haaren im Anzug nicht wohlzufühlen und klaut den Schleier eines Mädchens. Als Jugendlicher denkt er an Selbstmord, fällt bei der Tauglichkeitsprüfung fürs Heer mit lackierten Zehennägeln auf, doch wenig später verliebt er sich bei einer Maifeier in die Krankenschwester Iza (Joanna Kulig).


Meisterhaft verdichtet wird in diesem Auftakt eine mehrjährige Entwicklung. Kaum Worte sind in diesen kurzen Szenen nötig, aber intensiv beschwört das Regieduo mit Musik, Licht und Farben das Glück dieser jungen Liebe.


Bald folgt die Hochzeit, ein Sohn wird geboren, dann eine Tochter. Nach außen gibt sich Andrzej als glücklicher Ehemann und Vater, fühlt sich im Innern aber zunehmend als Frau. Er sucht Ärzte auf, die ihn mit Testosteron behandeln wollen oder von einer geistigen Störung sprechen, kleidet sich aber immer öfter heimlich als Frau.


Bewegend vermitteln Szumowska und Englert, indem sie konsequent aus der Perspektive Andrzejs erzählen, die psychische Belastung dieser Verdrängung von Sehnsüchten und der wahren Identität. Schmerzhaft spürbar wird seine / ihre Befindlichkeit auch dank der grandiosen Verkörperung Andrzejs durch die cisgender Frau Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, die über 130 Minuten in jeder Szene präsent ist und die ebenso dichten wie teils kurzen Szenen zusammenhält.


Hajewska-Krzysztofik wurde als Hauptdarstellerin ausgewählt, da in Polen die Schauspielausbildung nur für heteronormative Menschen offen ist und so keine Transgender-Schauspieler:in gefunden wurde. Gleichzeitig wurde aber beim Film intensiv mit der Trans-Community zusammengearbeitet und episodische Rollen mit mehr als 100 Personen besetzt, die sich als queer bezeichnen.


Wie schwer es Trans-Menschen in Polen haben, zeigt sich im Film, als Andrzej sich zu einem Outing durchringt und als Aniela angesprochen werden will. Einerseits erschwert nämlich der polnische Staat Aniela durch juristische Hürden den Weg zur gesetzlichen Anerkennung als Frau, andererseits zerbrechen auch persönliche Beziehungen.


Dennoch ist "Woman of… - Frau aus Freiheit" kein pessimistischer Film, sondern er lässt Aniela trotz aller Behinderungen und bitteren Erfahrungen ihren Weg gehen und nicht nur ihre Selbstbestimmung und Freiheit, sondern schließlich auch die Versöhnung mit Angehörigen finden. Geschickt zurrt das Regieduo dabei auch die sich über 45 Jahre spannende Handlung zusammen, indem am Ende Bilder vom Anfang wieder aufgenommen und variiert werden.


So universell dieses Drama einerseits im vielschichtigen Porträt des schwierigen Wegs einer Transfrau ist, so ist dies andererseits auch ein zutiefst in der polnischen Geschichte und Gesellschaft verankerter Film. Denn mit dem Titel "Woman of …" knüpfen Szumowska und Englert, die seit über 20 Jahre zusammenarbeiten, auch an Andrzej Wajdas Meisterwerk "Mann aus Marmor" (1977) und "Mann aus Eisen" (1981) an. Wie dieser Meisterregisseur mit seinen Filmen gegen die kommunistischen Repressionen kämpfte, so kämpft das Duo mit ihrem Film gegen die homo- und transphoben Gesetze des heutigen polnischen Staates und plädiert, verpackt in eine emotional mitreißende Erzählung, entschieden für Toleranz und Offenheit.

 

 

Woman of … - Frau aus Freiheit

Polen / Schweden 2023

Regie: Małgorzata Szumowska, Michał Englert

mit: Małgorzata Hajewska-Krzysztofik, Joanna Kulig, Mateusz Więcławek, Bogumiła Bajor

Länge: 132 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen. - Ab 18.10. in den österreichischen Kinos


Trailer zu "Woman of ... - Frau aus Freiheit"



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